Im Mittelpunkt des ersten Dokumentarfilms von Learning from the Grassroots steht Land in Sicht, Teil der Kleinen Stadtfarm in der Lobau, im 22. Wiener Gemeindebezirk.
Mitten in der Stadt und doch auch im Nationalpark Donau Auen gelegen ist die Kleine Stadtfarm ein Landeplatz für zivilgesellschaftliches Engagement, das ein lebendiges Netzwerk von 20 Vereinen und Start-ups beherbergt, die in einem koordinierenden Verein Synergien schaffen und Kreisläufe schließen. Vereine aus unterschiedlichsten Kulturkreisen bewirtschaften gemeinsam die von der Stadt Wien verpachteten Flächen.
Was als Experiment zur Selbstversorgung begann, hat sich innerhalb von zehn Jahren zu einem urbanen Landwirtschaftsprojekt entwickelt, das über den 22. Bezirk hinaus wirkt.
Der sozialpädagogische und ökologische Betrieb Land in Sicht zeigt, wie hier nicht nur Jungpflanzen, Gemüse und einheimische Feldblumen wachsen, sondern auch Gemeinschaft. Es gibt Bildungsangebote für Schulklassen, Führungen am sogenannten Welttellerfeld, kulturelle Veranstaltungen und Workshops zu ökologischen und politischen Themen im Kulturverein Salettl, sowie ein altes Glashaus mit viel Geschichte(n).
Der Film blickt auch zurück auf die wechselvolle Geschichte dieses besonderen Ortes: von einer innovativen ökologischen Gärtnerei in den 1960er und 70er Jahren, die auch schon damals ein kultureller Ort war, bis zum heutigen Gemeinschaftsprojekt im nun stark verdichteten 22. Bezirk. Eine filmische Erkundung darüber, was Stadt, Natur und Gesellschaft miteinander verbindet.





Die ersten Impulse zu dem Dokumentarfilmprojekt Learning from the Grassroots entstanden während des Corona-Lockdowns. In einer Zeit, die von Isolation, Unsicherheit, Spaltung und digitaler Überreizung geprägt war, wurde für mich spürbar, wie sehr unsere Gesellschaft nach echten, menschlichen Begegnungen hungert. Social Media und Verschwörungstheorien nahmen überhand – während ich mich nach Authentizität, gelebter Gemeinschaft und einem sinnvollen Miteinander sehnte.
In diesem Spannungsfeld entstand der Wunsch, mich mit Formen des gemeinschaftlichen Lebens und Wirtschaftens auseinanderzusetzen – konkret mit Community Farming. Was bedeutet es heute, Verantwortung für die eigene Nahrung, für den Boden und füreinander zu übernehmen? Wie kann kollektives Handeln im Kleinen gelingen – jenseits von Ideologie, und stattdessen getragen von gegenseitigem Respekt, Experimentierfreude und dem Wunsch, neue Wege zu gehen?
Learning from the Grassroots begleitet ein Community Farming Projekt in Wien, das genau solche Fragen nicht nur stellt, sondern im Alltag verhandelt. Der Film ist für mich ein Versuch zuzuhören, zu lernen und sichtbar zu machen, was oft im Verborgenen wächst: solidarische, selbstorganisierte Strukturen, die Mut machen für größere gesellschaftliche Transformationen.
Dem Graswurzelgedanken entsprechend, habe ich schon im ersten Film von Learning from the Grassroots versucht, eine Erzählstruktur zu finden, die dem Thema selbst entspricht. So wie Gemeinschaft und Selbstorganisation in einem Community Farming Projekt nicht „von oben“ gesteuert werden, sondern durch viele Stimmen, Erfahrungen und Perspektiven lebendig werden, sollte auch der Film ein kollektives Mosaik sein. Eine Einladung zum Mitdenken, Mitfühlen und vielleicht sogar zum Mitmachen.
Da jedoch die Struktur des gesamten Community-Farming Projekts – von dem Land in Sicht nur ein Teil ist – recht komplex ist, erschien es mir notwendig, einen gewissen erzählerischen Rahmen zu schaffen. Der Graswurzel-Initiator Nikolai Ritter, der nicht nur Land in Sicht ins Leben gerufen hat, sondern bereits zuvor Mitbegründer der Kleinen Stadtfarm war, und davor den Garten der Begegnung im Flüchtlingsheim Traiskirchen initiiert hat, schien mir dafür die richtige Wahl.
Obwohl ich grundsätzlich eine offene, prozessorientierte Erzählweise bevorzuge, habe ich mich in diesem Fall bewusst für ein zentrales Interview mit ihm entschieden. Es dient nicht als klassische Erklärung oder Anleitung, sondern vielmehr als Orientierungshilfe – als leiser roter Faden, der hilft, die vielfältigen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Projekten und Menschen besser zu verstehen, ohne ihre Eigenständigkeit zu schmälern.




