Worum geht es?
Mit meinem Video-Projekt Von den Graswurzeln lernen möchte ich den Fokus auf engagierte, basisdemokratische Netzwerke richten, die zeigen, dass wirklich nachhaltige Veränderungen im Bereich der Ernährungssouveränität fast immer von Akteuren der Zivilgesellschaft – Vereinen, Netzwerken, unabhängigen NGOs, engagierten Einzelnen – angestoßen werden, während bürokratische Verordnungen und Regelungen oft schwerfällig hinterherhinken und in ihrem abstrakten Zentralismus oft sogar mehr Schaden anrichten als Nutzen.
Der Schutz des Bodens und die Gesundheit der Lebewesen, die an einem bestimmten Ort leben, ist das Hauptziel terrestrischer Graswurzelnetzwerke. Der Begriff terrestrisch wurde von Bruno Latour geprägt, einem Philosophen, der selbst aus einer französischen Winzerfamilie stammt.
Terrestrisch bedeutet wörtlich zum Territorium gehörend. Es geht bei der terrestrischen Einstellung darum, den Schutz des Territoriums – der uns umgebenden Lebenswelt – von industrieller Ausbeutung (durch Umweltgifte, die Versiegelung des Bodens oder Ausbeutung der Ressourcen, die Verarmung der Artenvielfalt) zur höchsten Priorität zu machen. Denn es ist die emotionale Verbindung mit dem konkreten Ort, der uns umgebenden Lebenswelt, die uns dafür kämpfen lässt, diesen Lebensraum – die Luft, die wir atmen, den Boden, der uns ernährt, die Wasserqualität, die Vielfalt der Organismen – intakt zu erhalten.
Das Recht, lokale Sorten weiterzugeben, ist in den USA, im globalen Süden, aber zunehmend auch in Europa in Gefahr. Während die neue Gentechnik immer mehr dereguliert wird, werden die Rechte von Bauern und Gärtnern, Samen von lokalen, klimaresistenten Sorten weiterzugeben, durch Zertifikate und Patente immer mehr eingeschränkt. Während sich die machtvolle Lobby der Saatgut- und Pestizidkonzerne in Brüssel immer mehr Einfluss verschafft, ist schon längst eine dezentrale Gegenlobby entstanden: ein Netzwerk aus NGOs, Samenbanken, alternativen Saatgutfirmen, die nach strengen biologischen Richtlinien und komplett ohne Gentechnik und Pestizide auskommen, und die ebenfalls versuchen, die europäische Saatgut-Politik zu beeinflussen. Es ist nur dem Engagement dieser zivilen Akteure und deren Vernetzung zu verdanken, dass in Europa der Einfluss der großen Konzerne um einige Jahrzehnte verzögert werden konnte. Aber wie wird es jetzt weitergehen?
Letztendlich sind einige Aktivisten [Saatgut-Souveränität] aufgrund der mühsamen und letztendlich gescheiterten Bemühungen, die Rechte der Landwirte durch internationale Verhandlungen und Abkommen zu sichern, der Überzeugung, dass der einzige wirksame Weg, die Sorten der Landwirte zu schützen, darin besteht, sich an der Basis dafür einzusetzen, dass das Saatgut in den Händen der Landwirte bleibt, anstatt sich auf die Gerichte zu verlassen.
Karine E. Peschard, Seed Activism. Patent Politics and Ligitations in the global South, S.102