Learning from the Grassroots dokumentiert gemeinsames politisches Handeln in filmischen Erzählungen. Unsere Mission ist, neue Erzählformen zu finden, die die Akteur:innen stärker als bisher in den Entstehungsprozess der Erzählung einbeziehen.

Dieser Ansatz birgt kreative und ethische Herausforderungen, da kollektive Prozesse oft eine Vielzahl von Perspektiven, Individuen und Motivationen mit sich bringen. Um diese Vielfalt darzustellen, ohne das Publikum zu überfordern, ist eine sorgfältige Gestaltung der Erzählung notwendig.

Die Geschichte wird in der Regel aus der Perspektive einer einzelnen Person erzählt, deren Sichtweise durch ihre eigenen einzigartigen Erfahrungen und Überzeugungen geprägt ist und den Hintergrund für die Erzählung bildet. Sind jedoch mehrere Stimmen beteiligt, besteht die dramaturgische Herausforderung darin, diese Perspektiven so miteinander zu verweben, dass Spannung und emotionale Beteiligung erhalten bleiben.

Es ist zwar wichtig, sicherzustellen, dass kein/e Protagonist:in für eine/n andere/n spricht, dennoch ist die Interaktion zwischen den verschiedenen Erzählsträngen unerlässlich, um eine fesselnde und kohärente Geschichte aufzubauen.

Wenn es um die gemeinsame Sache und deren Umsetzung in eine politische Erzählung geht, ist es entscheidend, dass diese Erzählung von allen beteiligten Akteur:innen getragen werden kann. Wir verstehen unsere Protagonist:innen nicht als passive Interviewpartner, sondern als Mitautor:innen. Ihre Entscheidungen zu Themen und Drehorten fließen in die Gestaltung der Filmerzählung mit ein.

Während das Filmteam letztendlich die Verantwortung für die endgültige Gestaltung der Erzählung behält, sind die Protagonist:innen an mehreren wichtigen Phasen des Filmemachens beteiligt.

1. Konzeptualisierung: In einer gemeinsamen Brainstorming-Sitzung werden erste Ideen und Überlegungen gesammelt. Die Teilnehmer:innen identifizieren Schlüsselthemen und Perspektiven, die sie in dem Film behandeln möchten.

2. Kartierung: Es wird eine visuelle Karte erstellt, um die Beziehungen zwischen den beteiligten Personen, Organisationen, Verbänden oder Unternehmen sowie die thematischen Verbindungen zwischen ihnen darzustellen.

3. Stoffentwicklung: Sobald ein Entwurf für das dramaturgische Konzept vorliegt, wird dieser mit den Protagonist:innen der Erzählstränge geteilt und diskutiert. Feedback wird gesammelt und integriert.

4. Produktion und Postproduktion: Im Laufe der Dreharbeiten und des Schnitts werden den Teilnehmer:innen verschiedene Versionen der Erzählstränge zur Verfügung gestellt. Sie können Einwände erheben, wenn ihre Perspektiven falsch dargestellt werden.

Für all diese Schritte der Beteiligung gibt es ein passwortgeschütztes Diskussionsforum – lftgr.net/buendnisse, das nur den beteiligten Akteur:innen zugänglich ist.

Unsere Kernfrage:

Wie können wir den Erzählprozess so gestalten, dass sich die Teilnehmenden wirklich einbezogen und in der politischen Geschichte, die erzählt wird, zutreffend dargestellt fühlen?

Unser Ziel ist es, eine ko-kreative und nicht-hierarchische Beziehung zwischen den Filmemachern und den Protagonist:innen aufzubauen. Wir streben eine gemeinsame Interpretationshoheit an, damit der fertige Film nicht nur von den porträtierten Menschen handelt, sondern auch gemeinsam mit ihnen gestaltet wird. Durch diesen kollaborativen Prozess wird die Erzählung zu einem Raum der Verhandlung von Bildern, Bedeutungen und Repräsentation.

Durch Erzählung […] verwirklicht sich das eigentlich politische Denken. Durch das nacherzählte Handeln, das Erzählung ausmacht, bezieht sich der Mensch auf das Leben oder gehört zum Leben, insofern menschliches Leben unweigerlich politisches Leben ist. Die Erzählung ist die erste Dimension, in der ein Mensch lebt, durch Bíos und nicht durch Zoé, ein politisches Leben und/oder ein anderen Menschen überliefertes Leben.“

Julia Kristeva, Die Banalität des Bösen, in: Politik und Verantwortung. Zur Aktualität von Hannah Arendt, S. 131.